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Frauen, die bauen, wurden in der Geschichte oft belächelt. Hat sich das geändert? Zwei Architektinnen berichten über ihre Erfahrungen.
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Architekt – ein Männerjob? Von wegen!

Die Einbauküche – seit den 1950er-Jahren galt sie als Inbegriff der perfekten Küchengestaltung. In den meisten Haushalten ist sie nach wie vor Standard. Doch wer hatte eigentlich die Idee für diesen praktischen Arbeitsraum? Es war die Wienerin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000). Ihr Prototyp der Einbauküche, den sie 1926/1927 entwickelt hat, machte sie damals international bekannt.

Männerdomäne war einmal

Margarete Schütte-Lihotzky gehörte über Jahrzehnte einer kleinen Minderheit von Frauen an, die sich in einer Männerdomäne behaupten konnten. Vor allem im Bau und in der Kunst traf man fast ausschließlich auf Männernamen. Mittlerweile hat sich das Bild – zum Glück – verändert. In den Studiengängen für Architektur der Universitäten ist der Anteil der weiblichen Studenten sogar höher als jener der männlichen. In der praktischen Ausübung sind Architektinnen aber nach wie vor in der Unterzahl. Die Meraner Architektin Brigitte Kauntz (57) nennt einen der Gründe dafür: „Unser Arbeitsalltag ist abwechslungsreich, aber oft auch anstrengend, weil es Termine gibt, die einzuhalten sind, und man praktisch nie weiß, wann Feierabend ist.“ Als Mutter kennt sie die Herausforderungen, die damit verbunden sind. „Man muss sich gut organisieren, aber darin sind wir Frauen ja gut“, sagt sie schmunzelnd. Dennoch würden gar einige Architektinnen ihrer Familie zuliebe nicht freiberuflich arbeiten, sondern zum Beispiel im Landes- oder Gemeindedienst, wo zumindest angehend feste Arbeitszeiten herrschen. In Freiberufen wie bei Rechtsanwälten, Ärzten oder eben Architekten galt die Männerdomäne über lange Zeit als unumstößlich. Erst nach und nach wurden ihre Präsenz und ihre Entscheidungen akzeptiert und respektiert. Hat sich das in der Zwischenzeit geändert? Wie erleben Architektinnen ihren Berufsalltag?

Weitgehende Wertschätzung

Brigitte Kauntz – sie ist auch Vizepräsidentin der Berufskammer der Architekten – hat in ihrem langjährigen Berufsleben bisher tatsächlich keine negativen Erfahrungen gemacht. „Das hängt aber bestimmt auch davon ab, wie selbstbewusst wir Frauen auftreten“, glaubt sie und bestätigt damit eine Erfahrung ihrer Kollegin Nadia Erschbaumer (42). Die Bozner Architektin leitet gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Martin Seidner seit 10 Jahren das Architekturbüro NAEMAS Architekturkonzepte. „Als wir unsere ersten Projekte vorgestellt haben, habe ich schon gespürt, dass die Leute meinem Partner gegenüber mehr Respekt hatten oder ihm mehr Aufmerksamkeit schenkten, obwohl er genauso alt ist wie ich.“ Ihre noch geringe Praxiserfahrung als Freiberuflerin habe sich damals wohl in ihrem Auftreten widergespiegelt. Mittlerweile bekomme sie vor allem in der Zusammenarbeit mit Handwerkern dieselbe Wertschätzung wie männliche Kollegen: „Es fallen auch keine blöden Bemerkungen.“ Allerdings merke sie in einigen Fällen bei Auftraggebern oder Bauherren, dass diese im beruflichen Gespräch den Blick eher auf ihren Partner richten und damit signalisieren, mit wem sie es vor allem zu tun haben wollen.

Frauen hören (besser) zu

Umgekehrt hat Nadia Erschbaumer die Erfahrung gemacht, dass Bauherrinnen (so lautet tatsächlich der exakte Begriff) gezielt auf sie als Frau zukommen, weil sie mit Planern und Architekten in der Vergangenheit nicht zurechtgekommen sind. „Sie hätten ihnen nicht zugehört und sich bei Nachfragen stets an den Mann gewandt, haben sie mir erzählt. Sie wollten deshalb lieber mit einer Architektin zusammenarbeiten, weil sie sich sicher waren, dass so eine Geringschätzung bei Frauen nicht vorkommt.“ Zu dieser Erfahrung passt die Frage, ob sich Architektinnen und Architekten nicht nur beim Kommunizieren, sondern auch in der Arbeitsweise unterscheiden. „Es ist auf jeden Fall anders, mit Frauen zusammenzuarbeiten, als mit Männern“, bestätigt Brigitte Kauntz. Denn: „Frauen denken in der Regel mehr voraus. Und sie haben eine andere Sensibilität. Sie sind tendenziell nicht diejenigen, die ihr eigenes Projekt um-setzen möchten, sondern ihr Ziel ist es vorrangig, die richtige Lösung für ihre Kunden zu finden.“ Den Begriff „tendenziell“ unterstreicht die Architektin, denn diese Feststellung dürfe nicht verallgemeinert werden.

Männer sind rationaler

In ihrer beruflichen Partnerschaft erlebt auch Nadia Erschbaumer kleine Unterschiede: „Was technische Fragen anbelangt, halten wir uns die Waage. Eher neige ich dazu, mögliche Einwände von Kunden zu hinterfragen, während mein Partner das Projekt ganz rational betrachtet.“ Das Bauen sei generell etwas sehr Emotionales – für die Bauherren und -herrinnen, weil es mit vielen tiefgreifenden Entscheidungen und mit viel Geld verbunden ist, aber auch für die Architekten und Architektinnen, weil sie doch sehr lange an einem Projekt arbeiten und in dieser Zeit auch eine Beziehung zu den Auftraggebern aufbauen würden. „In diesem Sinne ist man bisweilen auch Psychologin, und eine gewisse Empathie ist da bestimmt richtig am Platz.“ Im Grunde würden sich Frau und Mann im Architektenberuf aber ideal ergänzen, ist Nadia Erschbaumer überzeugt.  Auch Brigitte Kauntz kann der weiblich-männlichen Kombination Positives abgewinnen, zumal der Beruf ein komplexer und vielseitiger sei. „Die Architektur ist jene Disziplin, die Technik, Kreativität und Kunst wie kaum eine andere zusammenführt“, sagt sie. In diesem Sinne vereine sie viele Talente, die Frauen und Männer gleichermaßen besitzen würden. Übrigens wurde nicht nur die Einbauküche von einer Architektin entwickelt. Architektinnen machten und machen auch mit Gebäuden von Welt-bedeutung auf sich aufmerksam. Eine der berühmtesten Architektinnen war Zaha Hadid (1950–2016), die unter anderem das Messner Mountain Museum auf dem Kronplatz und die Hungerburgbahn in Innsbruck entworfen hat. 

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