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Entwicklung: Vom Griff über das Volant bis zum Joy-Stick – Das Lenkrad als Design-Objekt:
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© dpa-tmn/Tesla

Von wegen einfach nur rund. Beim Lenkrad erlauben sich die Designer gerne mal eine Ausnahme. Die Form ist dabei nicht die einzige Variable am Volant, es gibt viele Möglichkeiten. Aber wie lange noch? Es ist nicht kreisrund, sondern ragt beinahe sechseckig aus dem schlanken, digitalen Cockpit. Deshalb sorgt es immer wieder für überraschte Blicke bei den Passagieren von Johann Kistler. Der BMW-Ingenieur verantwortet die Entwicklung des neuen iX. Wenn das Elektro-SUV im November in den Handel kommt, will es ähnlich revolutionär und unkonventionell sein wie der i3 vor rund 10 Jahren – und dazu gehört auch das auffällige Lenkrad.

Das erste Auto der Welt hatte übrigens noch gar keines. Anstelle dessen gab es am Benz Patent Motorwagen von 1886 einen aufrechten Griff. Der ragte senkrecht aus einer Art liegendem Sextanten heraus. Je weiter man den nach links oder rechts geschoben hatte, desto enger nahm das Auto die Kurve. Erst knapp 10 Jahre später erfand der französische Ingenieur Alfred Vacheron das, was wir heute als Lenkrad kennen, berichtet Mercedes-Sprecher Ralph Wagenknecht.

Für das erste Automobilrennen der Welt im Juli 1894 habe er in seinen von einem Daimler-Motor angetriebenen Panhard & Levassor ein Lenkrad anstelle des üblichen Lenkhebels eingebaut. Davon habe er sich eine bessere Kontrolle des Wagens erhofft, weil sich die Lenkbewegung der Vorderräder aus einer neutralen Mittelstellung bis zum Anschlag auf mehrere Umdrehungen der Lenksäule verteilen ließ. Der Franzose fuhr zwar nur auf den elften Platz, muss Wagenknecht einräumen: Doch der sogenannte Volant setzte sich durch.

Ein Lenkrand war lange nur rund und zum Lenken

Seitdem hat sich an der Gestaltung des Lenkrades zwar viel verändert, doch zumindest die Kreisform galt über Jahrzehnte als gesetzt. Bis sich die Designer irgendwann von Rennwagen inspirieren ließen. Für besonders sportliche Modelle haben sie den unteren Teil des Kranzes abgeflacht. Damit können ambitionierte Fahrer näher ans Cockpit rücken und schneller um die Kurven kurbeln.

Die Dämme sind offenbar gebrochen, und der Spielraum ist so groß geworden, dass es neben Kistler und seinem iX auch Tesla allein mit der Ankündigung eines neuen Lenkrads in die Schlagzeilen schafft. Als die Amerikaner vor einigen Wochen das Facelift von Model S und Model X angekündigt haben, waren die größeren Reichweiten und die stärkeren Motoren nur Nebensächlichkeiten.

Im Zentrum stand stattdessen das sogenannte Yoke-Lenkrad, das der US-Hersteller künftig als Option anbieten will. Das erinnert als liegendes Viereck nicht nur an das Steuer eines Formel-1-Rennwagens oder Verkehrsfliegers. Sondern es irritiert darüber hinaus durch das Fehlen fast aller Taster auf den Speichen und aller Hebel dahinter.

Denn wo andere Lenkräder buchstäblich zur Schaltzentrale aufgerüstet wurden und gespickt sind mit Drucktasten, Cursern, Walzen oder Sensorfeldern zur Bedienung von Assistenten, Infotainment und Bordcomputer, gibt es bei Tesla dann nur noch 2 Knöpfe und dafür viel künstliche Intelligenz. Die soll zum Beispiel selbständig das Blinken übernehmen und damit die üblichen Hebel überflüssig machen.

Lenken – und zahlreiche andere Funktionen

Marcel Bruch, der bei Audi die Entwicklung der Lenkräder leitet, musste dagegen für den neuen Q4 E-Tron neben der reinen Urbestimmung noch bis zu 18 Funktionen im Lenkrad integrieren – und hat obendrein ebenfalls an der Form gefeilt. Um dem Elektromodell einen frischen Look zu geben und zugleich den Blick auf die Straße zu verbessern, hat er das Lenkrad nicht nur unten, sondern auch oben etwas abgeflacht. Das war keine leichte Entscheidung, räumt der Entwickler ein: „Wir bewegen uns permanent in einem Spannungsfeld von Design und Ergonomie. Das Steuerrad soll ja handlich bleiben und definierte ergonomische Anforderungen erfüllen.“

Nicht nur bei der Form spielen die Designer, sondern auch bei der Zahl der Speichen, über die der äußere Kranz mit dem Mitteltopf und der Nabe verbunden ist. Denn auch wenn sich 3 oder 4 Speichen über die Jahre als Standard etabliert haben, gibt es immer wieder Ausreißer: Citroën zum Beispiel machte bisweilen mit einem Lenkrad mit nur einer Speiche von sich Reden. Und als Skoda bei der Premiere des aktuellen Octavia von 3 auf 2 Speichen gewechselt hat, haben die Tschechen das wie eine Revolution gefeiert.

Aber egal ob rund oder eckig oder mit flachem Boden, ob mit 3, 2 oder gar nur einer Speiche: „Die Entwicklung eines Lenkrades ist extrem aufwendig“, sagt Audi-Sprecher Tobias Söllner. Er berichtet dabei allein von 35 zu berücksichtigenden Gesetzen und Richtlinien. Bald könnte dieser Aufwand kleiner werden. Die Branche arbeitet daran, das Lenkrad – zumindest zeitweise – überflüssig zu machen. Dafür soll der Autopilot zur Serienreife kommen. Auch Kistlers iX hat dafür die allermeiste Technik bereits an Bord.

Immer wieder gab es in den letzten Jahren Technologieträger und Showcars zu sehen. Bei denen waren die Lenkräder zum Einklappen oder Versenken oder sie wurden mit einem Joystick gesteuert. Modelle wie der Smart Fortwo Vision EQ sind als Robo-Taxi gar nicht mehr fürs Selbstfahren gedacht. Zumindest übers Lenkrad muss man sich dann keine Gedanken mehr machen. (dpa/tmn)

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