Sie sagen, Multitasking sei ein Mythos – warum?
Mathias Fischedick: Dass Multitasking funktioniert, ist ein Irrglaube! Unser Gehirn kann immer nur eine bewusste Tätigkeit gleichzeitig ausführen. Wenn Sie versuchen, beim Telefonieren gleichzeitig eine E-Mail zu beantworten, springt in Wirklichkeit Ihre Aufmerksamkeit immer hin und her zwischen Mail und Telefonat. Sie erledigen also nicht beides parallel, sondern es ist ein schneller Wechsel zwischen beiden Tätigkeiten. Jeder dieser unzähligen Aufmerksamkeitssprünge kostet Energie und auch Zeit. Das heißt, in der Summe verbrauchen Sie mehr Zeit, als wenn Sie beide Tätigkeiten nacheinander ausgeführt hätten. Außerdem produzieren Sie beim Versuch des Multitaskings mehr Fehler. Diese zu korrigieren, kostet noch weitere Zeit, von der wir eh zu wenig haben.
Aber manchmal funktioniert das doch, oder?
Fischedick: Multitasking funktioniert nur, wenn eine der gleichzeitig ausgeführten Tätigkeiten unbewusst ablaufen kann. Gehen zum Beispiel ist so eine Tätigkeit. Diesen Bewegungsprozess haben wir so sehr verinnerlicht, dass er von ganz alleine funktioniert. Dadurch haben wir Hirnkapazitäten frei, um gleichzeitig mit dem Handy zu telefonieren, zu schauen, was in der Schaufensterauslage liegt, oder dem vorbeirasenden Radler einen Vogel zu zeigen. Sobald wir aber stolpern, weil wir eine Stufe oder ein anderes Hindernis übersehen haben, schalten wir automatisch um und steuern zumindest für die nächsten Schritte unseren Gang bewusst, bis wir uns wieder sicher fühlen. Im Moment des Stolperns stoppen wir automatisch die andere parallele Tätigkeit. Wir hören also zum Beispiel auf zu reden, oder unser Blick geht vom Schaufenster auf den Boden, um zu erkennen, worüber wir gestolpert sind. Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich: Sie können nicht mit Ihrer Aufmerksamkeit gleichzeitig bei 2 Tätigkeiten sein.
Was sind typische Aufgaben im Job, von denen wir denken, dass wir sie gleichzeitig erledigen können?
Fischedick: Eine Mail zu schreiben und gleichzeitig ein Telefonat zu führen, ist ein typischer Fall aus dem Arbeitsalltag. Wir glauben, dass wir mal eben beides gleichzeitig erledigen können. Jeder, der es schon einmal versucht hat und dem Anrufer halbwegs aufmerksam zugehört hat, wird im Anschluss festgestellt haben, dass er seine gleichzeitig geschriebene Mail noch mal überarbeiten muss, da Dinge darin nicht auf den Punkt gebracht sind, Teile fehlen oder es einen Haufen von Tippfehlern gibt. Wenn wir uns dagegen auf das Schreiben fokussieren, hören wir dem Anrufer nicht mehr richtig zu. Das ist zum einen respektlos und zum anderen können wir uns nachher nicht mehr genau an alles erinnern, was unser Gesprächspartner gesagt hat. Dadurch müssen wir später nachfragen, setzen die falschen Dinge um oder vergessen, besprochene Aufgaben zu erledigen. All das kostet uns am Ende mehr Zeit, als Mail und Telefonat nacheinander zu erledigen.
Okay, gleichzeitig geht also nur selten. Welche 3 Regeln sollte man stattdessen befolgen, um das Arbeitspensum zu schaffen?
Fischedick: Wenig Ablenkung, klare Struktur und regelmäßige Pausen sind für mich die wichtigsten Faktoren, um möglichst viel zu schaffen. Wir werden in der heutigen digitalen Zeit zu sehr durch ständig eingehende Mails, Nachrichten, Anrufe und so weiter abgelenkt. Studien haben gezeigt, dass wir nach der Ablenkung durch eine Nachricht auf unserem Handy ganze 8 Minuten brauchen, um mit unserem Fokus wieder voll bei der Sache zu sein, mit der wir uns zuvor beschäftigt haben. Dadurch kommen wir nicht so schnell mit unserer Arbeit voran, wie wir könnten. Deshalb ist mein Tipp: Möglichst Störquellen ausschalten. Das heißt, das Handy auf stumm schalten und am besten mit dem Display nach unten auf den Tisch legen, damit wir nicht doch im Augenwinkel sehen, dass eine neue Nachricht eingegangen ist. Genauso empfiehlt es sich, das Mailprogramm so einzustellen, dass neue Nachrichten nicht automatisch abgerufen werden, sondern erst auf Knopfdruck. Dadurch entscheiden wir selbst, wann wir bereit sind für neue elektronische Post.
Und wie schafft man eine klare Struktur?
Fischedick: Struktur ist wichtig, da wir Zeit und Energie sparen, wenn uns klar ist, was wir bis wann erledigen müssen und vor allem auch warum. Das Warum einer Aufgabe macht uns den Sinn einer Aufgabe klar. Wenn wir den Sinn verstehen, dann gehen wir motivierter und zielführender an die Sache, als wenn wir etwas nur erledigen, weil der Chef gesagt hat, dass wir das machen sollen, oder man das halt so macht. Deshalb mein Tipp: Hinterfragen Sie bei jeder Aufgabe, die Sie zu erfüllen haben, erst den Sinn und erledigen Sie diese nicht nur aus Gewohnheit. Entweder stellen Sie fest, dass die Aufgabe sinnlos und damit überflüssig ist, oder das Warum gibt Ihnen neben der größeren Motivation auch eine neue Idee, auf welche andere Art Sie die Aufgabe noch erledigen könnten, um das Ziel schneller zu erreichen. (dpa/tmn)
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