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Experten: Onboarding hat in vielen Betrieben zu wenig Priorität – Schon vor dem ersten Arbeitstag geht's los
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© dpa-tmn/Christin Klose

Neue Mitarbeiter zu finden, ist in vielen Branchen schwierig. Umso wichtiger ist es, sie auch zu halten. Die ersten Wochen können entscheidend sein. Wie klappt das sogenannte Onboarding?

Da mag man noch so lange im Job sein: Der erste Arbeitstag in einer neuen Firma fühlt sich immer ein wenig an wie der erste Schultag. Neugierig ist man auf das, was kommt. Und zugleich gibt es jede Menge Unsicherheiten. Dass neue Kollegen dann schnell gut ankommen, liegt nicht nur in deren Interesse. Es ist auch für das Unternehmen wichtig: Die ersten Tage können entscheidend dafür sein, mit wie viel Motivation sie an die neue Tätigkeit herangehen. Und je besser die Einarbeitung gelingt, umso schneller bringen sie der Firma den erhofften Nutzen.
Onboarding heißt diese Phase in den meisten Firmen: Die neuen Mitarbeiter werden an Bord geholt. Und dieser Prozess fängt nach Möglichkeit – wie die namensgebende Schiffsreise auch – nicht erst an Deck an, sondern bereits mit den ersten Schritten auf der Gangway.
„Das Onboarding muss deutlich vor dem eigentlichen Eintritt in die neue Tätigkeit beginnen, nämlich mit der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag“, sagt Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.
Das sogenannte Pre-Onboarding diene dazu, das Band zum Unternehmen so früh wie möglich zu knüpfen. Etwa mit regelmäßigen Informationen über Neuigkeiten aus der Firma, verbunden mit der Botschaft, dass man sich auf den neuen Mitarbeiter freut.
Schließlich gilt: Fachkräfte sind begehrt und die Konkurrenz schläft nicht. Und je mehr Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und erstem Arbeitstag vergeht, desto größer ist das Risiko, dass sich die Wunschkandidatin noch umentscheidet – und gar nicht erst erscheint.
Das ist für die Unternehmen nicht nur ärgerlich, sondern in mehrfacher Hinsicht ein Verlust, sowohl finanziell als auch zeitlich: „Ein Recruiting-Prozess dauert mittlerweile im Schnitt über 270 Tage, mit hohem finanziellen Aufwand bis in den fünfstelligen Bereich“, sagt Nils Wagener, Geschäftsführer der Recruiting-Agentur Königsteiner Gruppe. Umso wichtiger sei eine strukturierte Einarbeitungsphase, „damit man die Arbeitskraft des neuen Mitarbeitenden möglichst schnell nutzen kann“.
Doch in vielen Unternehmen habe das Onboarding nicht die Priorität, die angesichts des Arbeitskräftemangels eigentlich notwendig sei. Das zeigt auch eine Studie des Marktforschungsinstituts Bilendi im Auftrag der Königsteiner Gruppe, für die im August 2022 1016 Menschen interviewt wurden, die sich in den letzten 3 Jahren in mindestens einem Bewerbungsprozess befunden haben.
Demnach waren 57 Prozent mindestens einmal unzufrieden mit ihrer Startphase in der neuen Firma. Vor allem die Jüngeren sind dann schnell wieder weg. Bei Beschäftigten bis 39 Jahren machte sich der Studie nach fast jeder Dritte schnell wieder auf die Suche nach einem neuen Job.

Willkommenstage reichen nicht
Fraunhofer-Forscherin Hofmann verwundern solche Zahlen nicht: „Das Onboarding ist eine extrem kritische Phase im Erwerbsleben.“ Neue Mitarbeiter kämen mit hohen Erwartungen, hätten aber oft nur unklare oder sogar falsche Vorstellungen von den tatsächlichen Abläufen und der Kultur im Unternehmen. „Man kann am Anfang viel falsch machen, wenn man nicht genug betreut und an die Hand genommen wird“, sagt Hofmann. Und das kann für viel Frust sorgen. Bei den Neuen ebenso wie bei den Kollegen, die schon länger dabei sind.
Ein Patentrezept für gutes Onboarding gibt es indes nicht: „Es sollte auf die jeweilige Position zugeschnitten sein“, sagt Recruiting-Experte Wagener. Ein neuer Sales-Mitarbeiter muss möglichst rasch sämtliche Produkte kennen, eine Ingenieurin die technische Umgebung ihrer neuen Aufgabe. Ein paar Willkommenstage, wie sie in vielen Firmen angeboten werden, können dafür nur der Einstieg sein. Wichtig sei eine enge Begleitung mit regelmäßigen Feedback-Gesprächen in den ersten Wochen, sagt Wagener.
Viele Unternehmen setzen dabei auf Mentoren- oder Buddy-Programme: Die neuen Mitarbeiter bekommen feste Ansprechpartner, die sie in den ersten Wochen unterstützen. Im Prinzip ein gutes Konzept, findet Wagener, „nur müssen die Mentoren dann auch von ihren eigentlichen Aufgaben entlastet werden, damit sie sich tatsächlich um die neuen Kolleginnen und Kollegen kümmern können“. 20 Prozent der Arbeitszeit sollten für die Betreuung zur Verfügung stehen – verbunden mit der klaren Botschaft an die  Neuen, dass Fragen nicht lästig, sondern ausdrücklich erwünscht sind.

Mehr Kommunikation nötig
„Onboarding erfordert heute viel mehr Kommunikation, auch über die Unternehmenskultur, den Umgangston, die üblichen Workflows“, sagt Josephine Hofmann, die vor allem zum Thema New Work forscht. Dazu gehörten klare Übergaben bei den Zuständigkeiten: Wenn der eigentliche Mentor nicht im Haus ist, müssen andere Teammitglieder ansprechbar sein. An Bord zu gehen – das ist ein aktiver Vorgang, der bewusst gesetzte Schritte erfordert, nicht nur auf dem Schiff, sondern auch im Berufsleben.
Josephine Hofmann empfiehlt neuen Mitarbeitern deshalb eine „sehr aktive Haltung“, unabhängig vom Onboarding-Konzept der Firma: „Man sollte von sich aus Fragen stellen, sich selbst anbieten, wahrnehmbar sein, unter Nutzung aller vorhandenen Kommunikationskanäle.“ Wer hingegen nur abwartet, der läuft Gefahr, dass der Dampfer ohne ihn abfährt. (dpa/tmn)

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