

Super-Dad und Rabenmutter?
Elternzeit anstelle von Mutterschaftsurlaub – Wer bleibt beim Kind?
Die Geburt eines Kindes ändert das Leben eines Paares von Grund auf. Früher waren es vor allem die Mütter, die ihre gesamte Lebensplanung umstellen mussten, die Väter waren wenige Stunden am Tag, am Wochenende und in den Ferien präsent. Wenn überhaupt. Dank einem neuen Elternbewusstsein und der Gleichstellung von Mann und Frau in der modernen Gesellschaft haben heute beide (berufstätigen) Elternteile das Recht auf Elternzeit. Theoretisch!
Seit 2022 hat Italien sich an die europäische Regelung bezüglich der Elternzeit angepasst. Demnach stehen Männern per Gesetz zehn Tage obligatorischer Vaterschaftsurlaub zu, Frauen fünf Monate (2+3, 1+4 oder aber bei Vorlage eines ärztlichen Attestes auch 5 Monate direkt nach der Geburt). Und dann? „Anrecht auf den fakultativen Elternurlaub haben beide leibliche Eltern, wobei dieser höchstens 10 Monate und innerhalb des 8. Lebensjahres des Kindes genossen werden kann. Beansprucht der Vater mindestens 3 Monate (fortlaufend oder aufgeteilt), wird die Gesamtdauer auf 11 Monate erhöht.“ So heißt es auf der Seite des INPS/NISF. Das Tolle ist, diese Monate können zwischen den Eltern auch aufgeteilt werden.
Ab 1. Januar 2024 vergütet der italienische Staat erwerbstätigen Eltern zwei Monate Elternzeit innerhalb der ersten sechs Lebensjahre eines Kindes mit 80 Prozent des letzten Gehalts sowie weitere sieben Monate mit 30 Prozent des letzten Gehalts. Die Wahl, wer zuhause bleibt, ist nicht selten vom Verdienst diktiert. (Südtirols) Männer verdienen im Durchschnitt bei gleichwertiger Arbeit immer noch 17 Prozent mehr als Frauen. Im Vergleich: 95 Prozent der Südtiroler Männer sind erwerbs- tätig, 4 Prozent davon in Teilzeit, aber nur 75 Prozent der Frauen, davon 63 Prozent in Teilzeit. Teilzeit heißt mehr Zeit für Kinder und Haushalt. Teilzeit heißt aber auch weniger Verdienst, weniger Aussicht auf Karriere und eine geringere Pension, ergo eine größere Abhängigkeit vom Partner!
Gender-Gap, Karriere-Gap, Pensions-Gap
Zum Gender-Gap gesellen sich ein Karriere- und ein Pensions-Gap. „Die gesellschaftliche Norm, dass die Frau der Familie zuliebe auf Karriere verzichtet, ist einfach schräg“, betont Gleichstellungsrätin Brigitte Hofer, „zumal wenn man bedenkt, dass Frauen generell einen höheren Schulabschluss haben!“ Besser ausgebildet, weniger Führungspositionen, schlechter bezahlt und zuhause. Und zudem oft in bestimmte, als typisch weiblich angesehene Berufsbilder gedrängt. Keine sehr rosigen Aussichten.
Auch aufgrund dieser Bedingungen entscheiden sich heute viele junge Frauen gegen eine Familie. Aber das hat fatale Auswirkungen auf die Gesellschaft. Der auch für die Garantie der Pensionen notwendige Generationenwechsel kann nicht mehr vollzogen werden. Andererseits fehlen in vielen Sparten qualifizierte Arbeitskräfte, aber gut ausgebildete Frauen bleiben einfach zuhause. Oder sie müssen die Hälfte eines Gehalts für Kinderbetreuung ausgeben.
Von der Möglichkeit der geteilten Elternschaft machen immer noch zu wenige Männer Gebrauch, auch wenn die neuen Väter ihre Rolle bewusster und aktiver wahrnehmen. Auch tun sich manche Frauen schwer, die vorherrschende Rolle in der Erziehung abzugeben. „In dieser Beziehung“, so Gleichstellungsrätin Brigitte Hofer, „ist auch das Thema Identität sehr interessant.“ Der im Titel gewollt provozierende und natürlich ironisch verwendete Begriff „Rabenmutter“ ist in vielen Köpfen noch verankert. Vorurteile gegenüber auf Gleichstellung beharrenden Frauen sind an der Tagesordnung. Männer werden hingegen zum Teil bemitleidet oder als Super-Dad angesehen, auch wenn sie nur das übernehmen oder besser teilen, was von Frauen als selbstverständlich erwartet wurde und oft noch wird. Das Kompliment Super-Mum bekommen nur wenige Frauen zu hören.
Noch machen wenige Eltern von geteilter Elternzeit gebrauch
Noch sind es zu wenige Familien, die von der neuen Regelung der geteilten Elternzeit Gebrauch machen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Zeitraum 2009–2019 ist die Zahl der Männer, die 31 Tage Elternzeit nehmen, also die Periode, die noch eine Gehaltsentschädigung von 100 Prozent vorsieht, von 10,6 auf 25,3 Prozent angestiegen, von 2019 auf 2023 nur auf 26,5 Prozent . Bei Frauen sind es 72 Prozent. Nur 25 Prozent der Väter nehmen drei Monate Elternzeit in Anspruch (wohlgemerkt innerhalb der ersten 8 Lebensjahre!), nur 19 Prozent zwischen 3 und 12 Monate. „Wichtig wäre, solche Bedingungen zu schaffen, dass jeder frei entscheiden kann, nach eigenem Dafürhalten, ohne Traditionen oder gesellschaftlichen Zwängen zu folgen“, unterstreicht Gleichstellungsrätin Brigitte Hofer.
Interessant ist, was ein Mann zu berichten hat, der für seine zwei Töchter insgesamt drei Jahre Elternzeit in Anspruch genommen hat. Bei der ersten, Flora, Jahrgang 2012, blieb Rudi Brunner, Mitarbeiter für Integration, ein Jahr zuhause, bei der zweiten, Selma, Jahrgang 2015, sogar zwei Jahre. In diesem Fall hatte er sein Dienstverhältnis gekündigt. „Durch meine Arbeit war ich darauf vorbereitet, mich um Kinder zu kümmern, Windeln zu wechseln und zu füttern.“ Ohne diese Vorbereitung, meint er rückblickend, wäre es sehr schwer gewesen. „Noch schwerer, als es ohnehin schon war, denn Kinder aufziehen und sich um den Haushalt kümmern ist ein aufreibender und anstrengender Fulltime-Job, der unterschätzt wird.“
Allerdings seien er und seine Frau Julia in einer sehr glücklichen Lage: Beide sind Landesbedienstete, sie Mittelschullehrerin (mittlerweile in der Stammrolle), er Betreuer von Kindern mit Handicap in der Schule. „Auch meine Frau war am Nachmittag meistens zuhause und hatte die Schulferien frei, so dass ihr doch auch Zeit für die Kinder blieb.“ Wer in der Privatwirtschaft arbeite, sagt Brunner, habe es da wesentlich schwerer. „Wer längere Elternzeit beansprucht, muss um einen Karriere-Stop oder sogar um Entlassung fürchten.“
Ein aufreibender Ganztagesjob
Wie hat seine Umwelt auf die „getauschten“ Rollen reagiert? „Männliche Freunde haben mich beneidet, sie sagten: Cool, jetzt kannst du den ganzen Tag spielen und hast Zeit für dich. Am Spielplatz oder im ELKI haben mich die Mütter anfangs argwöhnisch beobachtet, bei ihren ‚Frauengesprächen‘ habe ich gestört, aber dann haben sie sich an mich gewöhnt.“ In jedem Fall sei es eine tolle, aber auch anstrengende Zeit gewesen. „Und ich habe ein tolles Verhältnis zu den Kindern aufgebaut.“ Würde er es anderen Männern empfehlen? „Bedingt. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, auf was sie sich einlassen: einen sehr aufreibenden Ganztagesjob mit großer Verantwortung, der erfordert, sich und seine Bedürfnisse zurückzustellen!“ Was müsste sich ändern seiner Ansicht nach? „Die Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit einer Mutter. Die Elternjahre sollten in jedem Fall zur Pension (entsprechend dem vollen Gehalt) gezählt werden.“
Bessere Voraussetzungen schaffen, die Freiheit für Eltern unbeeinflusst zu entscheiden und ein Umdenken der Gesellschaft. Der Weg ist klar gezeichnet. Worauf warten wir noch?
Brigitte Hofer, geboren am 28. Juli 1967 in Bozen, absolvierte ein Universitätsstudium in Literatur und Fremdsprachen an der Universität Bari. Sie ist diplomierte Bibliothekarin, Konfliktcoach und Mediatorin.Ab 2002 war sie als Verwaltungsinspektorin in der Landesverwaltung tätig. Von 2012 bis 2024 arbeitete sie als Gewerkschaftsfunktionärin beim ASGB und gründete dort die Arbeitskonfliktberatungsstelle. Seit dem 1. Mai 2024 ist sie Gleichstellungsrätin.
© Alle Rechte vorbehalten
Diesen Artikel teilen
Das könnte dich auch interessieren
Frisch auf den 
Keine Neuigkeiten
mehr verpassen!
Tipps, interessante Artikel und neue Jobanzeigen direkt per Mail. Wir informieren dich sofort, wenn etwas Passendes für dich dabei Ist.
Newsletter abonnieren



