Logo Dolomiten Markt Online NegativeLogo Dolomiten Markt Online
Sommerferien als Problem Sommerferien als Problem
Shutterstock

Wohin mit dem Nachwuchs?

Icon Calendar30.07.2025

SOS Sommerferien 

Mit dem ersten Kindergartentag des Kindes ist nicht nur die Freiheit vorbei, in Urlaub zu gehen, wann man möchte, es beginnen auch jede Menge organisatorische Probleme. So jedenfalls empfinden es viele Eltern. Und nicht zu Unrecht. Italien (und ­damit auch Südtirol) zählt zu jenen Ländern mit den meisten Ferientagen bzw. -wochen in Europa: 17, 18 Wochen – davon alleine 12, 13 Wochen im Sommer. Ist das noch mit der Berufstätigkeit beider Elternteile zu vereinbaren, denen im Schnitt 5 oder 6 Wochen Urlaub im Jahr zustehen?

Im Frühjahr 2024 wurde, ausgelöst von einer Eingabe der italienischen Lehrergewerkschaft Anief an Bildungsminister Giuseppe Valditara, in Italien eine Verlängerung der Sommerferien auf 16 Wochen sehr kontrovers diskutiert. Der Grund: die zunehmend heißeren Sommer im Zuge des Klimawandels, die vor allem in den südlicheren Regionen Italiens das Unterrichten fast unmöglich machen. Ein Schreckgespenst für Eltern, die sich schon gestresst fragten, wie sie weitere drei Wochen freie Zeit ihrer Kinder organisieren und bezahlen sollten. Am Ende hat sich das Ganze als Sturm im Wasserglas entpuppt.  

In Südtirol kommen 4 Kinder auf einen Kita-Platz. Zweitberufstätigkeit mit Kindern ist ein Balanceakt und eine finanzielle Herausforderung und das nicht nur zu Ferienzeiten! Aber nicht nur: Wer monatelang aus dem Schulalltag gerissen ist, tut sich schwer, sich wieder hineinzufinden. Bei so langen Ferien ist es unerlässlich, Hausaufgaben zu stellen, eine weitere Belastung, nicht nur für die Kinder, auch für den Familienfrieden.

173 Schultage – 76 Tage Sommerferien

Wenn man sich den Südtiroler Schulkalender anschaut, fällt auf den ersten Blick auf, dass außer dem breiten roten Block von Mitte Juni bis Anfang, Mitte September, die restlichen Ferien relativ kurz gehalten sind. Eine Woche an Fasching, im Schnitt 6 Tage (inklusive Feiertage) an Ostern, je nach Verteilung der Feiertage im Jahr einige Brückentage, eine Woche über den ersten November und zwei Wochen an Weihnachten. Im Schuljahr 2025/26 gehen Südtirols Kinder und Jugendliche 173 Tage zur Schule, die Sommerferien alleine dauern 76 Tage. Abgesehen von Lehramt oder Kindergartenbetreuung haben Arbeitnehmende das Recht auf 25 bzw. 30 Urlaubstage plus maximal acht Stunden Freistellungen für Arztbesuche und Ähnliches mehr. Das passt nicht zusammen!

Was tun mit den Kindern während der Schulferien? In vielen Fällen sind es – wie so oft –  Frauen, die sehen müssen, wie sie das mit ihrer Arbeit in Einklang bringen. Auch ein Halbtagsjob ist hier allerdings keine Lösung. Ebenso wenig sind Großeltern eine garantierte Hilfe, da sie selbst noch im Arbeitsleben stecken, zumal das Rentenalter immer weiter nach hinten geschoben wird. Die Möglichkeit, Wartestand zu nehmen oder im Homeoffice zu arbeiten, steht nicht allen Arbeitnehmenden zur Verfügung. Die von vielen Schulen und Kindergärten angebotenen zwei Wochen Kinderbetreuung sind in jedem Fall nicht ausreichend. 

Selbst ist die Familie

In Südtirol gibt es mittlerweile in allen Landesteilen Genossenschaften, die (Klein-)Kinderbetreuung anbieten (diekinderwelt.it). Tolle Programme mit vielerlei Aktivitäten, professioneller Betreuung und von den Kindern im Allgemeinen sehr geschätzt. Die Stadt Bozen bietet Wochenturnusse während der Sommerferien an. Größere Kinder können für Feriencamps angemeldet werden. Aber die Kosten für all diese Aktivitäten lasten fast zur Gänze auf den Familien. Je nach Betreuungsart bis zu 80 Euro pro Woche und Kind. Zudem ist es unabdinglich, rechtzeitig vorauszuplanen. Wer zu spät kommt, bekommt keinen Platz. 

Wer einen gleichaltrigen Freundeskreis hat, kann sich unter Umständen eine Kinderbetreuung selbst organisieren. Abwechselnd nimmt sich je ein (Groß-)Elternteil mehrere Tage Urlaub und betreut die kleine Freundesschar. Erfindungsgeist und Improvisationstalent sind angesagt!

Wie machen es die anderen?

Wie sieht es in anderen Ländern aus? In Schweden dürfen die Gebühren für die Kinderbetreuung nicht mehr als 17 Prozent des Einkommens betragen, bis zu einem Maximum von 125 Euro pro Monat. Vorschul- und Schulkinder haben das einklagbare (!) Recht auf einen ganzjährigen Betreuungsplatz, das heißt auch während der Ferien. Auch unter dem Schuljahr haben Eltern keine Sorgen, wo sie ihre Sprösslinge während der Arbeitszeit lassen. Kindergärten und Schulen bieten sogar einen 24-h-Service an für Eltern, die Turnus arbeiten, zusätzlich stehen kommunal entlohnte Tagesmütter zur Verfügung. Großeltern werden für drei Monate Enkel-Sitting während des ersten Lebensjahres vom Staat bezahlt. Außerdem haben Berufstätige pro Kind und innerhalb des achten Lebensjahres das Recht auf 480 Tage bezahlten Urlaubs. Träume!

Wer einen Blick auf den deutschen Schulkalender wirft, ist überrascht von der auffälligen Regelmäßigkeit. Um den sechswöchigen Block der Sommerferien gruppieren sich im Abstand von 5, 6 Wochen insgesamt vier Ferienblöcke von der Dauer von 2 Wochen bzw. Weihnachten mit drei Wochen. In Deutschland ist das Recht auf Kinderbetreuung in den Ferien im Sozialgesetzbuch vorgesehen, das heißt, dass der Staat wohnortnahe Alternativen zur Sommerbetreuung vorsehen muss, wenn die Kita schließen sollte, z. B. in anderen Kitas, bei Tagesmüttern. Viele Gemeinden bieten zudem Sommerferienbetreuung oder Ferienlager und immer mehr Betriebe orientieren sich am französischen Beispiel und bieten eine betrieblich unterstützte Kinderbetreuung an. Je nach Einkommen kann um Betreuungshilfen angesucht werden. 

Aber zurück nach Italien und Südtirol. Eine Verkürzung der Ferienzeiten steht in absehbarer Zeit nicht zur Diskussion und scheint auch nicht praktikabel zu sein (Kollektivverträge der Lehrerinnen/Lehrer und Kindergärtnerinnen/Kindergärtner, Klimawandel usw.). Andererseits wird es nicht zuletzt aufgrund des (Fach-)Arbeitskräftemangels und der Tatsache, dass in immer mehr Familien beide Elternteile berufstätig sind, unabdinglich sein, dass die öffentliche Hand in Zukunft mehr und vor allem finanziell tragbare Möglichkeiten zur ganzjährigen Kinderbetreuung anbietet, bzw. sollte darüber nachgedacht werden, Kindergärten (Kitas sind es meistens schon) vom allgemeinen Schulferienkalender abzukoppeln.

© Alle Rechte vorbehalten