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Die Regeln der Mehrarbeit

Icon Calendar06.08.2025

Wie Überstunden geregelt sind

Mehrarbeit ist manchmal notwendig und sinnvoll. Wenn der Feierabend aber permanent auf sich warten lässt und Überstunden zur Dauerbelastung werden, dann gefährdet das nicht nur die Sicherheit des Unternehmens und der Mitarbeitenden, sondern auch die Gesundheit des Personals. In Italien sind Überstunden deshalb per Gesetz geregelt.

Es ist später Nachmittag, gleich Feierabend. Da klingelt das Telefon, der Chef ist am Apparat: „Würden Sie mir bitte noch den Brief, den ich Ihnen geschickt habe, über die Verteilerliste versenden? Und die Unterlagen fürs morgige Meeting brauche ich. Vorher bitte Herrn Mayr anrufen und den Termin bestätigen lassen …“ Mist, das war’s dann mit der Yogastunde! Immer kommt der Chef mit seinen Aufträgen in letzter Sekunde! Solche und ähnliche Szenen werden dem einen oder der anderen bekannt vorkommen. Insbesondere in Zeiten, in denen Arbeitskräfte Mangelware sind, werden Überstunden in gar manchen Branchen und Abteilungen fast zur Normalität. Das ärgert viele. Zu Recht. Dennoch wagen sie oft keine Widerrede. Könnte ja sein, dass die Vorgesetzten sie für faul halten und ihnen eine Karriere deshalb verwehren. Oder auch, dass Kollegen sie „wegen der paar Minuten“ lächerlich machen. Wer will das schon?

Darf nicht Standard sein

Es steht zwar außer Frage, dass hin und wieder über die normale Arbeitszeit hinaus etwas erledigt oder wegen eines plötzlichen Ausfalls eines Mitarbeiters die eine oder andere Stunde zusätzlich gearbeitet werden muss – und viele Mitarbeitende sind auch bereit dazu. Wenn Überstunden aber zum Standard werden, ist das nicht mehr Ausdruck von Engagement, sondern häufig ein Symptom für mangelhafte Personalplanung. Arbeitgeber beginnen mit der Zeit, unbegrenzt auf den guten Willen ihrer Beschäftigten zu zählen. Und sie riskieren damit nicht nur Frust, sondern auch einen Leistungsabfall sowie bisweilen sogar gesundheitliche Folgen für die Mitarbeitenden, die dauerhafte Überlastung mit sich bringen kann. Um genau diese Entwicklung zu verhindern, hat Italien das Thema Überstunden in einen gesetzlichen Rahmen gepackt. Grundsätzlich gilt: Überstunden sind nicht die Regel, sondern ausdrücklich die Ausnahme. Das Gesetz – insbesondere Nr. 196/1997 und Dekret Nr. 66/2003 – erlaubt sie nur unter bestimmten Bedingungen. Das kann ein unerwarteter Mehrbedarf oder eine produktionstechnisch bedingte Notwendigkeit. Auch höhere Gewalt, etwa bei Notfällen oder Katastrophen, erlaubt es, die Angestellten über die normale Arbeitszeit hinaus zu beschäftigen. Dasselbe gilt für saisonale Höhepunkte, besondere Veranstaltungen wie Messen, um zwei Beispiele zu nennen. Auch Personalmangel kann ausnahmsweise eine Rechtfertigung für Überstunden sein, darf aber wie gesagt kein Dauergrund sein. 

250 Stunden, und basta!

Pro Jahr dürfen Arbeitnehmer in Italien laut Gesetz nicht mehr als 250 Überstunden leisten – sofern nicht ausdrücklich vom Arbeitsministerium genehmigt. Bei einer 40-Stunden-Woche wäre das in etwa eine Stunde pro Woche. Diese Grenze ist nicht verhandelbar, auch nicht per Handschlag oder „mündlicher Vereinbarung“. Tarifverträge, die in Italien eine zentrale Rolle spielen, können diese Grenze sogar noch nach unten korrigieren. In manchen Branchen gelten zum Beispiel 180 oder 200 Stunden pro Jahr als Maximum.

Zusätzlich darf die Gesamtarbeitszeit pro Woche – also inklusive Überstunden – 48 Stunden nicht überschreiten, gerechnet über einen Zeitraum von vier Monaten. Kurzzeitig mehr zu arbeiten ist also erlaubt, solange sich das über einen längeren Zeitraum wieder ausgleicht.

Lohn oder Ausgleich

Natürlich ist Mehrarbeit nicht umsonst. Der Gesetzgeber sieht vor, dass Überstunden mit einem Zuschlag von mindestens 10 Prozent des regulären Stundenlohns vergütet werden. Das klingt zunächst überschaubar – allerdings hat die Rechtsprechung klargestellt: Dieser Zuschlag bezieht sich nicht nur auf das Grundgehalt, sondern auf die gesamte Vergütung: also inklusive Zulagen, Boni und Co. Unterm Strich ergibt sich so häufig ein effektiver Zuschlag von etwa 30 Prozent. Alternativ können Überstunden auch durch Freizeitausgleich abgegolten werden. Was im Einzelfall gilt, regeln meist die jeweiligen Tarifverträge – oder individuelle Absprachen mit dem Arbeitgeber.

Regeln und Ausnahmen

So wichtig Flexibilität im Arbeitsalltag ist – ebenso wichtig ist der Ausgleich. Wer mehr als 6 Stunden arbeitet, hat Anspruch auf eine Pause. Außerdem schreibt das Gesetz vor, dass zwischen 2 Arbeitstagen mindestens 11 Stunden Ruhezeit liegen müssen. Und: Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen wöchentlichen Ruhetag, idealerweise am Sonntag. Zusammengerechnet ergibt das eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 35 Stunden – ein Mindestmaß an Erholung, das nicht unterschritten werden darf. Ausnahmen gelten nur für bestimmte Berufsgruppen und Branchen, etwa im Gesundheitswesen, im Gastgewerbe, bei Rettungsdiensten oder im Flugverkehr. Hier darf auch mal flexibler geplant werden – allerdings stets unter Einhaltung der Gesundheits- und Sicherheitsstandards. Ein häufiger Knackpunkt in der Praxis ist die Dokumentation. Wer Überstunden geltend machen möchte – sei es zur Bezahlung oder zum Freizeitausgleich – muss sie auch nachweisen können. Die Beweispflicht liegt hier beim Arbeitnehmer. Deshalb gilt: Zeiten möglichst genau dokumentieren – idealerweise mit Zustimmung und Unterschrift der Vorgesetzten.

Überstunden machen krank

Manche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen machen gern Überstunden. Das kann unterschiedliche Gründe haben, etwa weil sie zusätzlich Geld verdienen möchten oder weil ihnen die Arbeit so viel Freude bereitet, dass sie unbedingt das eine oder andere noch fertigstellen möchten. Bei anderen hingegen sind Überstunden bittere Notwendigkeit, um mit dem Verdienst überhaupt bis ans Ende des Monats zu kommen. Für alle gilt aber: Hört auf euren Körper! Selbst wenn die Arbeit Spaß macht, kann ein Zuviel negative Folgen für die eigene Gesundheit haben und sich je nach Art der Tätigkeit außerdem auf die eigene Sicherheit und jene der Mitarbeitenden auswirken. Zu diesem Schluss kommt die österreichische Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) nach entsprechenden Studien. 

Demnach reichen die gesundheitlichen Folgen von (zu) langen Arbeitszeiten von Kopfschmerzen und Schlafstörungen über Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko und Erkrankungen der Muskeln und Knochen. Außerdem fördern permanente Überstunden psychische Krankheiten. 

Doch damit nicht genug. Die Experten für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sehen auch einen Zusammenhang zwischen Überstunden und Gesundheitsverhalten. Wer (zu) viel arbeitet, neigt eher zu Bewegungsmangel sowie zu riskantem Alkohol- und Tabakkonsum. Belegt ist demnach sogar, dass die Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit mit dem Risiko für Fehlhandlungen und arbeitsbedingte Unfälle zusammenhängt. Das Risiko zu verunfallen, steige nach der 8. Arbeitsstunde exponentiell an.

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