

Drück den Druck weg
Stress am Arbeitsplatz: Mehr Prävention und bessere Arbeitsbedingungen
Immer erreichbar, ständig unter Strom: Stress gehört für viele zum Arbeitsalltag wie der Kaffee am Morgen. Doch was, wenn aus zeitweisem Druck ein Dauerzustand wird – und der Körper irgendwann streikt? So weit sollte es nicht kommen. Deshalb der Rat der Expertin: Stress vorbeugen – auch wenn’s schwerfällt.
Der Tag hat kaum begonnen, da läuft das Gedankenkarussell schon auf Hochtouren: Zwischen den Schlagzeilen des Tages, die im Schnelldurchlauf über das Smartphone-Display wandern, ploppen erste E-Mails im Firmenpostfach auf. Mist! Der Kundentermin verschiebt sich. Das Meeting muss also vorverlegt werden. Aber die Unterlagen stehen noch aus …
So oder ähnlich beginnt für viele der ganz normale Alltag. Im modernen Arbeitsleben sind Hektik und Stress längst zur Normalität geworden. Was früher als Ausnahme galt, ist heute Dauerzustand. Doch permanenter Druck am Arbeitsplatz bleibt nicht folgenlos: Er gefährdet zunächst die Leistungsfähigkeit und im zweiten Moment auch die Gesundheit der Betroffenen.
Ständige Präsenz als Gefahr
Freilich, Stress am Arbeitsplatz ist kein neues Phänomen. Doch vor allem die Digitalisierung hat uns in den vergangenen Jahren in einen 24-h-on-Modus versetzt, aus dem wir uns kaum noch befreien können. Die ständige Präsenz durch digitale Medien verstärkt die Gefahr, in dauerhaften Stress zu geraten, ohne dass wir es zunächst richtig wahrnehmen. Silvia Schroffenegger ist Fachberaterin für Stress- und Burnout-Prävention und weiß, dass starker, lang anhaltender Stress den Körper und die Psyche wesentlich beeinträchtigen kann. Die Symptome seien individuell aber sehr unterschiedlich: „Sie reichen von Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafproblemen über hohen Blutdruck, Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Burnout, Depressionen und anderen schweren psychischen Erkrankungen.“ Die ersten Warnsignale unbedingt ernst zu nehmen – diesen Appell richtet die Expertin an alle, die glauben: „Das wird schon wieder. Ist ja nur vorübergehend.“
Stress ist oft Kopfsache
Stress hängt nicht immer mit der Menge an Arbeit zusammen, sondern vor allem mit der persönlichen Einstellung dazu. Es gibt zwar Stressfaktoren, die Betroffene nicht beeinflussen können, etwa die bereits erwähnte Informationsflut, den Termindruck, aber auch den Verkehrsstau. „Wie sehr wir dieses Geschehen letztendlich aber als Stress empfinden, das hat viel mit der eigenen Denkweise zu tun“, erklärt Silvia Schroffenegger. Es gibt demnach gedankliche Stressverstärker wie „Das schaffe ich nie“, „Ich darf jetzt keinen Fehler machen“, „Schon wieder versäume ich so viel Zeit, weil die Ampel ständig rot ist“. Im Gegensatz dazu kann eine zuversichtliche Einstellung den Stresspegel senken: „Eins nach dem andern“, „Ich versuche mein Bestes“, „Mit einem guten Podcast nutze ich die Zeit im Auto sinnvoll“ – solche Gedanken wirken beruhigend, aufbauend, konstruktiv, unterstützend und motivierend. „Stress ist deshalb auch vielfach Kopfsache“, weiß die Fachberaterin, „wenn ich annehme, was sich nicht ändern lässt, und lerne, entspannt damit umzugehen, nehme ich schon viel an Stress aus der Situation heraus.“
Ein Plan macht’s leichter
Sich vom Stress am Arbeitsplatz nicht überwältigen lassen, diese Fähigkeit klingt für viele von uns unrealistisch. Es kann aber funktionieren, „indem man sich beispielsweise gut organisiert, also einen Plan hat“. Statt morgens hektisch ins Büro zu starten und sofort auf neue E-Mails zu reagieren, ist es besser, den Tag 10 Minuten vorzubereiten: 3 Hauptaufgaben notieren, dafür Zeitfenster im Kalender blocken, bewusst 30 Minuten für unerwartete Aufgaben freilegen. Damit arbeitet man schon fokussierter.
Auch eine gewisse Ordnung kann laut Silvia Schroffenegger Stress vorbeugen. Beispiel: Angebote, Kundendaten, Besprechungsnotizen liegen „verstreut“ in E-Mail-Anhängen und Desktop-Ordnern herum, müssen ständig gesucht, bearbeitet und wieder abgelegt werden. Dagegen hilft eine einfache digitale Ordnerstruktur, mit der Infos sofort griffbereit sind – ganz ohne hektisches Suchen. Wie eine solche Ordnerstruktur funktioniert, das lässt sich erlernen. „Lebenslanges Lernen, um Herausforderungen besser gewachsen zu sein, ist übrigens auch ein Mittel, um Stress zu verringern“, ergänzt die Expertin. Und: „Vielleicht hilft auch mal Nein zu sagen oder zu delegieren.“
Silvias 5 Tipps
Wer Achtsamkeit praktiziert, steigert Ruhe und Gelassenheit, reduziert und schützt sich vor Stress. Achtsamkeit heißt, alles im Hier und Jetzt sehr aufmerksam zu tun.
- Bewegung in der Natur: Sie ist das Beste, was wir gegen Stress tun können.
- 4-7-8-Atemübung: Mund schließen, ruhig durch die Nase und dabei konzentriert in den Bauch einatmen (4 Sek.), Luft anhalten (7 Sek.), durch den Mund ausatmen (8 Sek.).
- Achtsame Kommunikation: Die „3 Siebe des Sokrates“ helfen, Gedanken oder Aussagen zu hinterfragen. Ist es wahr? Ist es gut für mich und andere? Und ist es nützlich?
- Glücksmomente sammeln: Wer scheinbar belanglose Erlebnisse wie ein nettes Gespräch, das Lachen eines Kindes, das Beobachten eines Tieres in der Natur bewusst schätzt, sorgt damit für mehr Lebensfreude. Wer positive Dinge im Leben fördert, ist resistenter gegen Stress.
- Reisen: Gemeint ist nicht Urlaub, sondern die innere Reise zu sich selbst. Beispielsweise durch mentales Training stressmindernde Gedanken fördern, Yoga, Meditation, Waldbaden, Dankbarkeitsübungen, durch bewusstes Nichtstun.
Das sollten Unternehmen tun
Unternehmen können wesentlich dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden nicht dauerhaft unter Stress stehen. Einige zentrale Maßnahmen:
- Klare Aufgabenverteilung und Zuständigkeiten
- Realistische Zielvorgaben und Zeitpläne
- Vermeidung von Dauerüberlastung, etwa durch gezieltes Ressourcenmanagement
- Konstruktive Feedback-Kultur und Wertschätzung praktizieren
- Offenes Ohr für Belastungen der Mitarbeitenden
- Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen, um Belastungsschwerpunkte früh zu erkennen
- Keine Dauererreichbarkeit verlangen und keine vorleben
- Für ruhige Umgebung sorgen, etwa durch Lärmschutz
- Stressbewältigungstrainings anbieten
- Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) etablieren
Die Dosis macht das Gift
Der Begriff Stress in seiner heutigen Bedeutung stammt aus dem Englischen und bezeichnete ursprünglich in der Physik das Testen von Materialien auf Belastbarkeit. Erst später wurde „Stress“ in die Psychologie und Medizin übertragen. Mittlerweile ist der Begriff fast zum Modewort geworden. „Ich habe Stress“ kann für vieles stehen. Doch wann habe ich wirklich Stress und nicht nur viel zu tun oder Ärger mit den Eltern?
„Stress ist ein sehr komplexes Phänomen und eine sehr persönliche Angelegenheit“, erklärt dazu Silvia Schroffenegger, „grundsätzlich ist Stress angeboren. Er ist eine natürliche Körperreaktion auf Belastungen, die dazu dient, den Körper auf eine Herausforderung oder Gefahr vorzubereiten.“ Stress ist nicht per se schlecht. „Sogenannter positiver Stress ist gut und nützlich, da er leistungsfähig und aufmerksam macht.“ Sind die Belastungen jedoch zu groß, kann Stress chronisch werden und sich negativ auf Körper und Psyche auswirken. Silvia Schroffenegger: „Wichtig zu wissen ist: Die Dosis macht das Gift.“
Silvia Schroffenegger ist gelernte Betriebswirtin, hat sich 2001 als PR-Beraterin selbstständig gemacht und sich später zur diplomierten Fachtrainerin und Mentaltrainerin sowie zur Fachberaterin für Stress und Burnout-Prävention ausbilden lassen. Neben ihrer Beratungstätigkeit gibt sie Seminare rund um Stress- und Büromanagement, (Selbst-)Organisation und Kommunikation (www.cover-training.com).
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